Psychotherapeutisches Konzept

Die Psychotherapie in der Rehabilitation

Die therapeutische Ausrichtung der Klinik Hohenfreudenstadt geht von dem Grundsatz aus, dass der Körper nicht seelenlos ist und die Seele nicht körperlos. So gehört zu der somatischen Diagnostik und Behandlung auch die Beachtung der psychischen Situation und der seelischen Reaktion des Kranken.

„So steht unser Körper zwischen Seele und der übrigen Welt in der Mitte, Spiegel der Wirkungen von beiden ...“

G. Ch. Lichtenberg: „Über Physiognomik“ (1778)

Im Rehabilitationswesen wurde die Psychotherapie lange Zeit als Randgebiet betrachtet. Gemäß dem vorherrschenden biomedizinischen Krankheitskonzept konzentrierte man sich darauf, die körperlichen Ursachen einer Krankheit ausfindig zu machen und dann medizinisch, d. h. medikamentös, physikalisch und/oder operativ zu behandeln.

Die Methoden der Psychiatrie und der Klinischen Psychologie wurden primär auf die Behandlung von Patienten mit psychischen Störungen (d. h. Störungen im Erleben und Verhalten) beschränkt. Ein Patient, der sowohl körperliche wie auch psychische Störungen aufwies, wurde einerseits körpermedizinisch und andererseits psychotherapeutisch behandelt. Die ganzheitliche Sichtweise der psychosomatischen Medizin setzte sich nur langsam durch.

Mit den wachsenden wissenschaftlichen Erkenntnissen (z. B. Stressforschung, Verhaltensmedizin, Psycho-Neuro-Endokrinologie, Psycho-Immunologie, Gesundheitspsychologie) änderten sich die Krankheitskonzepte bezüglich Entstehung, Verlauf und Behandlung. Im ganzheitlichen Ansatz des „bio-psycho-sozialen Modells“ werden körperliche und psychische Erkrankungen in einen Zusammenhang gebracht. Auch die soziale und berufliche Situation des Patienten wird einbezogen.

Rehabilitation und Anschlussheilverfahren haben in verstärktem Maße – mehr als die spezialisierte Akutmedizin – die Aufgabe, den Menschen in seiner physischen, psychischen und sozialen Dimension zu erfassen und ihm in seinem Bedürfnis auf Wiederherstellung und Teilhabe gerecht zu werden. Hierzu sind der „psychosomatische Blick“ und die psychotherapeutische Hilfestellung in der Rehabilitation unentbehrlich. So können psychische Folgen, bzw. begleitende Störungen nach körperlichen Erkrankungen erfasst und behandelt werden.

Der Patient ist ja nicht nur „Träger“ einer Krankheit. Für die Beurteilung der Erkrankung und Behinderung eines Patienten sind die Lebensgestaltung, der Lebensstil, die Fähigkeit Krisen zu bewältigen, oder auch das Risikoverhalten wichtig – eine zentrale Aufgabe der psychosomatischen Medizin in der Rehabilitation.

Positive psychosoziale Faktoren im Heilungsprozess sind z. B.:
  • ein stabiler familiärer Hintergrund
  • stabile wirtschaftliche Situation
  • befriedigende Sozialkontakte
  • Gestaltungsmöglichkeiten in der Arbeitswelt
  • Selbstvertrauen
  • Konfliktbewältigung
  • Entspannung und Muße
  • Genussfähigkeit
Zum Risikoverhalten des Patienten zählen Faktoren wie:
  • Rauchen
  • Alkoholmissbrauch
  • Fehlernährung
  • Bewegungsmangel
  • fehlende oder gespannte Sozialkontakte
  • instabile Partnerschaften
  • mangelhafte Konfliktfähigkeit
  • Arbeitssucht
Zur modernen Definition von Rehabilitation gehört der Begriff der „funktionalen Gesundheit“. Die drei wesentlichen Voraussetzungen für funktionale Gesundheit sind:
  • die Körperfunktionen und -strukturen,
  • die Aktivitäten im Alltag,
  • die Teilhabe an den wichtigen Lebensbereichen

Umweltfaktoren und personenbezogene Faktoren wie Alter, Geschlecht, Ausbildung etc. müssen als „Kontextfaktoren“ mit einbezogen werden. Die ICF der Weltgesundheits-organisation (WHO) nennt jede Beeinträchtigung der funktionalen Gesundheit „Behinderung“ (ICF bedeutet: International Classification of Functioning, Disability and Health (WHO, 2001), siehe § 2 SGB IX).

Aufgaben der Psychotherapie
Für den Bereich der Psychosomatischen Medizin und Psychotherapie ergeben sich im Rahmen der Rehabilitation folgende Aufgaben:
  • Psychotherapeutische Hilfestellung bei der seelischen Bewältigung chronischer Erkrankungen und Beeinträchtigungen
  • Aktivierung vorhandener Ressourcen
  • Aufbau neuer Kompetenzen für eine gesunde Lebensweise
  • Veränderung von Risikoverhalten und Risikofaktoren.
  • Psychotherapie primär psychischer Störungen (Ängste, Zwänge, Depression)
  • Motivierung des Rehabilitanden, Verantwortung für die eigene Lebensgestaltung zu übernehmen, den Lebensstil zu überprüfen und ggf. zu verändern

Psychisch krankmachende Faktoren sind u. a. frühe Verluste und Traumatisierungen, Konflikte in der Familie, in der Ehe und am Arbeitsplatz, berufliche Überforderung, Erschöpfung, Tendenzen zu süchtigem Verhalten, Essstörungen, Schlafstörungen, körperliche Behinderungen, Schmerzzustände, Trauer und depressive Verstimmungen. Dass die körperliche Krankheit begleitende seelische Leiden hat darf kein Tabu sein. Die psychosomatische Medizin ist deshalb besonders wichtig, weil mit dem körperlichen Leiden und den damit verbundenen Funktionseinbußen auch das Selbstwertgefühl, die Lebensqualität und die Krankheitsbewältigung beeinträchtigt sind.

Ziel der psychotherapeutischen Behandlung ist, wieder den psychischen Bezug zu sich selbst (Selbstwahrnehmung und Selbstgefühl) und den physischen Bezug (Körperwahrnehmung und Körpergefühl) zu erlangen, handlungsfähig zu werden und wieder Freude am Leben zu gewinnen. So werden die leibseelischen (somatopsychischen) Zusammenhänge besprochen und die oft unterschätzten Bewältigungsmöglichkeiten herausgearbeitet.

Die Klinikatmosphäre, der zwischenmenschliche Umgang, das Suchen und das Finden neuer Wege zur Krankheitsbewältigung sind wesentliche Heilfaktoren im Rehabilitationsverlauf. Dazu gehören das psychotherapeutische Gespräch und ein ganz auf die persönlichen Bedürfnisse ausgerichteter Behandlungsplan.

Den Fachgebieten der Klinik entsprechend werden die psychosomatischen Indikationsfelder der Orthopädie und der Inneren Medizin zusammenfassend dargestellt. Daneben behandelt die psychosomatische Abteilung wichtige psychische Störungen wie Burnout, Trauerreaktionen, Depressionen, posttraumatische Belastungsstörungen und psychogene Essstörungen.

„Wir behandeln keine Krankheiten, sondern kranke Menschen.“

(Ludolf Krehl)

Psychosomatische Indikationen

Internistische Psychosomatik

Die Wegbereiter des psychosomatischen Denkens in Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg waren u. a. Viktor von Weizsäcker und Thure von Uexküll – beide Internisten.

Die internistisch-psychosomatische Abteilung in der Klinik Hohenfreudenstadt behandelt neben den klassischen internistischen Indikationen vor allem Patienten mit Erschöpfungssyndromen (Burnout, Stressintoleranz, psychovegetative Syndrome, Chronic fatigue-Syndrom (CFS), umweltbezogene Störungen), ferner reaktive Depressionen nach Krebs, Herz- und Kreislauferkrankungen und funktionelle Störungen des Magen-Darm-Trakts.

Neben dem Schwerpunkt Diabetes mellitus befasst sich die internistische Psychosomatik mit den vielfältigen Ess- und Ernährungsstörungen und den sie begleitenden psychischen Problemen (Über-/Untergewicht, Ängste, Zwänge, süchtige Entwicklungen).

Die Abteilung führt regelmäßige Seminare über „Ernährung und Psyche für Ärzte, Psychologen und Ernährungsberater durch.

In der Orthopädie sind die Zusammenhänge zwischen psychosozialen Belastungen (z. B. kritische Lebensereignisse, schwierige Arbeitsbedingungen, Konflikte, familiäre Probleme) und dem „Bewegungsapparat“ nicht zu übersehen. Beispielsweise sind der Rücken und die Wirbelsäule sehr sensible und deshalb „anfällige“ Körperregionen.

Sprechen wir von der „Haltung“ eines Menschen, so kann sowohl die Körperhaltung als auch die innere Haltung gemeint sein. Oft ist der Körper bzw. seine Haltung „Spiegel der Seele“.

Die Pathophysiologie der Affektverarbeitung führt über die Körperhaltung und die Rücken-muskulatur zu Verspannungen, Rückenschmerzen und Fehlhaltungen einzelner Bewegungssegmente mit Rückwirkung auf die seelische Verfassung. Halten die auslösenden seelischen und körperlichen Belastungen an, versagen die Kompensationsmöglichkeiten und eine Fehlhaltung droht, chronisch zu werden.

Zunächst ist der akute Rückenschmerz ein Alarmsignal, das Schonhaltung und meist auch Arbeitsunfähigkeit nach sich zieht. Schmerzmittel, Schonung und physiotherapeutische Maßnahmen sind in der Regel erfolgreich, versagen aber, wenn der Teufelskreis von Belastung, Stress und Schmerz auf Dauer nicht unterbrochen werden kann und die Entwicklung ausreichender Bewältigungsstrategien unterbleibt. Am Beispiel des akuten und wiederholt auftretenden Rückenschmerzes (Lumbalgie, Cervicalneuralgie) oder der chronischen Rückenschmerzen wird deutlich, dass häufig nicht nur muskuläre Verspannungen, Fehlhaltungen und Fehlstellungen der Wirbelkörper und Wirbelgelenke zu lösen sind, sondern auch die psychophysiologischen Stressfaktoren erkannt und bearbeitet werden müssen. Die psychotherapeutische Intervention ist in der Regel langwieriger und komplizierter als z. B. der rasch wirksame chiropraktische Handgriff, aber zur Vermeidung der Chronifizierung nachhaltiger.

Wenn die Faktoren wie Stress, Überlastung, unvollständige Konfliktbearbeitung und chronische Rückenschmerzen einmal erkannt sind, sind neben den akuttherapeutischen somatischen Maßnahmen auch Entspannungsverfahren und konfliktzentrierte Gespräche erforderlich. Dabei sollten sich physiotherapeutische (krankengymnastische), balneologische (Bäder, Schwimmen) und verhaltenstherapeutische Maßnahmen ergänzen. Oft ist die Umstellung der Lebens- und Arbeitsgewohnheiten notwendig.

Die Rehabilitation des chronischen Rückenschmerzes (wie auch anderer Schmerzsyndrome) basiert – neben den üblichen physiotherapeutischen und balneologischen Maßnahmen – auf mehreren psychotherapeutisch ausgerichteten Therapieschritten.

Von psychosomatischen Störungen im engeren Sinne wird gesprochen, wenn bei körperlichen Krankheiten oder Behinderungen das begleitende psychische Leiden immer mehr in den Vordergrund rückt. Die Sucht-Entwicklung z. B. verhindert die körperliche Gesundung, kompliziert und verschlimmert sogar die somatische Erkrankung. Reaktive Depressionen (z. B. bei Herzkrankheiten), Schmerz-Syndrome, chronische Erschöpfungszustände, posttraumatische Belastungsstörungen u. a. können primär somatische Störungen so gravierend überlagern, dass Psychotherapie geboten ist.

Eine zweite Gruppe primärer psychosomatischer Erkrankungen sind die sog. funktionellen Störungen. Hier fehlen eindeutige körperliche Krankheitsursachen; Diese funktionellen Störungen sind somit sog. Ausschlussdiagnosen. Es sind Befindlichkeitsstörungen unter Stressbelastung, Unverträglichkeiten (Intoleranzen) im Magen-Darm-Trakt, Essstörungen (Magersucht, Fettsucht), Ängste, Zwänge, dysfunktionale Verhaltensweisen.

Schließlich stellen Lebenskrisen, z. B. in Schwellensituationen (Eintritt ins Arbeitsleben, Berentung, Arbeitslosigkeit, Partnerschaft) oder biographische Einbrüche (Trauer, familiäre oder berufliche Konflikte, Extrembelastungen, Risiken für psychogene Reaktionen dar, die eine rehabilitative Psychotherapie notwendig machen.

Die Zukunft der psychosomatischen Medizin in der Rehabilitation

So wie das Gesundheitswesen sich mit neuen Entdeckungen und Erkenntnissen laufend wandelt, so befindet sich auch die psychosomatische Medizin in der Entwicklung. Das alte Konzept, sich an psychischen Defiziten und Risikofaktoren zu orientieren, wird durch das überzeugendere neue Konzept abgelöst, das die Entwicklungsmöglichkeiten, die Kreativität und die Motivation des Patienten in den Vordergrund der Therapie stellt. Statt zu fragen: Was macht uns krank, muss die Frage gestellt werden, was uns eigentlich gesund erhält, bzw. was uns wieder gesunden lässt. Es ist wohl so, „dass Gesundheit immer in einem Horizont von Störung und Gefährdung steht“ (Gadamer 1993, S. 142). Gadamer hat auch von der „Verborgenheit der Gesundheit“ gesprochen. Dieser Zustand von Gesundheit erlaubt uns, kreativ, „erkenntnisoffen und selbstvergessen“ zu sein. Aber sie (die Gesundheit) besteht nicht darin, dass man sich in den eigenen schwankenden Befindlichkeiten immer mehr um sich sorgt“ (Gadamer 1993, S. 144).

In der Rehabilitation ist die Wiedererlangung der Gesundheit zwar das Idealziel, aber allzu oft geht es nach dem Einbruch der Krankheit in das Menschenleben um die Wiederherstellung eines neuen Gleichgewichts und um die Kompensation von Defiziten. So ist auch der Begriff der „Salutogenese“ von Antonovsky zu verstehen, der von der Fähigkeit des Menschen ausgeht, Entwicklungspotentiale, Kreativität und Widerstandsfähigkeit so zu fördern, dass ein neues, eben gesundes Gleichgewicht in der Lebensbewältigung entsteht.

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